Doppel-Interview mit Birgit Linner & Roland Trescher, Isar 148

"Durch das jahrelange Impro-Spiel hat sich eine Haltung verinnerlicht, die mir das Leben leichter macht."

Birgit Linner spielt seit 1998 und Roland Trescher seit 1990/91 Improvisationstheater (Impro). Sie gründeten Isar 148

 

Wie kamt ihr zum Improspielen?

 

Birgit:

Ich bin damals ins Improtheater gegangen, weil ich für eine Gruppe spionieren sollte. Dann kam ich mit den Spielern an dem Abend ins Gespräch und sie haben mich zu einem Casting eingeladen. Da bin ich dann hingegangen und wurde genommen. Ich hatte gar nicht vor Schauspielerin zu werden.

 

Roland: 

An der Uni (LMU) in München, am Institut für Theaterwissenschaft gab's einen Dozenten, der Chris Barn, der ein Kolloquium angeboten hatte, mit dem schlichten Titel "Improvisationstheater". Er ist Neuseeländer und kannte Improtheater aus Neuseeland. Und hat das dort angeboten, weil er einfach interessiert war an neuen Theaterformen. Er kannte Improtheater von seinem besten Kollegen und Freund John Hudson. Eigentlich waren es ganz wenige Tools, die er uns beigebracht hat. Und so kam es, dass wir zwei Semester an der Uni erstmals Impro sehr rudimentär von Chris Barn beigebracht bekamen. Und in der Folge haben wir dann John Hudson, seinen Freund aus Neuseeland eingeladen, und daraus ist dann Fastfoodtheater entstanden. Genau! Wo ich ja dann zehn Jahre auch dabei war.

 

Wie kam es zum gemeinsamen Improspielen mit Roland?

 

In der Gruppe bröckelte es um 2000 rum sehr. Einige Spieler kannten sich schon lange, hatten die Gruppe zusammen gegründet, wollten aber in verschiedene Richtungen. Die Streitereien haben mich genervt. Roland war an einem ähnlichen Punkt, zumal er einer der Gründungsmitglieder war. Wir gingen am Flusskilometer 218 der Isar spazieren und entschlossen uns, nach reiflicher Überlegung, die Gruppe zu verlassen und gemeinsam neue Wege zu gehen.

 

Wie kam es zum gemeinsamen Improspielen mit Birgit?

 

1997 gab es das Improtheater Fastfoodtheater schon einige Jahre und wir hatten ein Casting veranstaltet. Zu dem hat sich Birgit beworben gehabt. Als Spielerin, die im Ensemble, beim ersten Vorspielen so ein bisschen bei einigen Irritationen hervorgerufen hat: Weil Birgit einfach immer gut war. Sie war von Natur aus einfach eine talentierte Improspielerin und mit ihrem androgynen clownesken Aussehen hat sie bei manchen im Ensemble Irritationen hervorgerufen. Ich hab aber dafür gekämpft, weil ich sie unbedingt im Ensemble haben wollte. So kam's dazu, dass Birgit ins Ensemble kam und dann bei Fastfoodtheater als Newcomerin von uns trainiert wurde. 

 

Die Birgit war dann erstmal als Ensemblespielerin bei Fastfoodtheater. Da bin ich 2002 ausgestiegen und wir hatten uns zwischenzeitlich auch schon privat ganz gut befreundet. Und haben viel Zeit zusammen verbracht, mit Freunden usw. Analog ist Birgit auch - aus anderen Gründen - aus dem Ensemble ausgestiegen. Und wir haben eben beschlossen gemeinsam weiter zu machen mit Improtheater. Denmark Schmolling war auch dabei. Das war die Urzelle von Isar 148 und da waren Birgit und ich letztendlich die Gründungsmitglieder von Isar 148, was dann auch zu Linnner & Trescher, der Duo-Show, später führte.

 

Wie erklärst Du Impro in zwei bis drei Sätzen?

 

Birgit:

Improtheater ist für mich der Mut auf der Bühne zu zeigen, was im Moment der gegebenen Vorgabe durch deinen Kopf schiesst und dabei nicht nur nach Orten, Situationen oder Arbeitsplätzen zu fragen. Den Mut zu haben nach politischen Themen zu fragen, nach gesellschaftsrelevanten Themen, nach Bedürfnissen der Gemeinschaft und durch das Spiel auf der Bühne Stellung zu beziehen. Und das Ganze gemischt mit leichter Unterhaltung und Witz.

 

 

Roland:

Improtheater bedeutet, wenn wir Spieler auf der Bühne nicht wissen was passiert und uns dem Improvisationsprozess, dem Entstehungsprozess aussetzen. Ziel ist nicht ein fertiges Produkt zu zeigen sondern eben einen Prozess. Wie Spieler, einzelne Spieler oder Spieler gemeinsam zu Geschichten, Figuren finden. Und für mich speziell heisst es nochmal: Improtheater heisst, die Auseinandersetzung zu bestimmten Themen, zeitaktuellen Themen mit den Zuschauern und den Spielern im Moment auf der Bühne. Es geht da weniger mehr um die Sensation für mich, wir können improvisieren vorwärts, rückwärts, gereimt, geschüttelt etc., sondern mir geht es mehr um den Inhalt, der aus dem Moment entsteht.

 

Wieso soll ich als Zuschauerin Improvisationstheater schauen gehen?

 

Birgit:

Du lernst eine neu darstellende Kunst kennen, die Dich inspirieren könnte und ich verdiene mein Geld damit!!!

 

Roland:

Hmmm gute Frage! Man kriegt ne Inspiration, im Idealfall Ideen, kriegt ne Stimmung mit. Man erlebt wie Menschen aus dem Moment spontan reagieren und dort Kreatives schaffen, sich gegenseitig wertschätzen und das hat a) ne Vorbildfunktion für viele Zuschauer b) ist es ziemlich lustig, mitzubekommen wie Leute sich hemmungslos ihren Ideen aussetzen. Das inspiriert viele Zuschauer und c) wie schon gesagt habe, sind es im Idealfall tolle Geschichten oder Figuren, die uns ein Stückchen mehr über unseren Tellerrand schauen lassen. Das sind die drei Aspekte.

 

Was bringt Euch Impro persönlich?

 

Birgit:

Durch das jahrelange Improspiel hat sich eine Haltung verinnerlicht, die mir das Leben leichter macht. Ich bin gelassener bei Problemen und grosszügiger gegenüber dem Verhalten mancher Menschen. Ich glaube wirklich das ich dadurch gesünder lebe.

 

Roland:

Ja eigentlich immer wieder eine Auseinandersetzung mit mir selbst und den Themen, die mich beschäftigen in der Öffentlichkeit. Das heisst, ich habe die Gelegenheit mit meinen Mitspielern und mit den Zuschauern mich mit bestimmten Themen auseinander zu setzen. Weil eben diese Improvisationstechniken mich in den Moment bringen und mir einige Filter oder Zensoren abschaffen. Mir geht's mittlerweile nicht mehr so, dass ich das Gefühl habe ich kann jetzt virtuos alle Improtechniken zeigen. Das interessiert mich gar nicht mehr, weil wir können improvisieren, nach so 'ner langer Zeit ist die Tatsache, das wir improvisieren keine Sensation mehr. Mir geht es wirklich mehr um den Inhalt und das gemeinsam mit Zuschauern und den Spielern zu erleben, sich mit aktuellen Themen beschäftigen, Alltagssituationen, die uns alle bewegen, die wir teilen. Das finde ich spannend!

 

Welche Hindernisse und Rückschläge musstet Ihr auf Eurem Impropfad überwinden und wie habt Ihr es geschafft?

 

Birgit:

Ich musste lernen, mich nicht mehr darüber zu ärgern, wenn mir andere Ideen geklaut haben. Heute sehe ich es als Kompliment, wenn Mitglieder anderer Gruppen auf unsere Webseite gehen und uns nachahmen. Da scheinen wir etwas richtig zu machen. Eine weitere Anstrengung ist es mit einem Spielpartner ein gutes Team zu bleiben. Noch dazu wenn beide so unterschiedlich sind wie Roland und ich. Wir hatten und haben unsere Krisen und lassen uns dann auch professionell coachen. Und wir stellen unsere Freundschaft in den Vordergrund. Sollte diese zu stark leiden, hören wir vorher auf.

 

Roland:

Es gibt zwei Hindernisse/Rückschläge: Das eine ist man selbst. Wie kommt man selber immer wieder weiter? Was inspiriert einem? Was inspiriert mich, an Impro dran zu bleiben und nicht doch Theater zu machen? Oder mit Theater aufzuhören. Da wieder einen neuen Zugang zu finden, gerade nach so einer langen Zeit. Auch den Mut zu haben, sich von traditionell erfolgreichen Formaten zu verabschieden, nur weil sie erfolgreich sind, so wie Theatersport. Sowas mach ich nicht mehr. Also ich veranstalte es nicht mehr, ich spiel's immer noch. Auch von den Games sich zu verabschieden. Das war irgendwann für mich langweilig und das dann irgendwann natürlich ein Hindernis geworden und nicht mehr ein kreativer Pool. Da neue Aspekte zu finden.

 

Der zweite Teil ist diese ständige Notwendigkeit Theater generell vermarkten zu müssen. Das finde ich, ist einfach furchtbar kompliziert geworden und ich find's einfach frustrierend mit wie wenig platten Angeboten Zuschauer manchmal zufrieden sind und im Gegenteil sogar eher darauf abfahren. Qualität ist nicht messbar meines Erachtens an den Zuschauerzahlen. Das finde ich ein bisschen frustrierend. Manchmal denke ich, die Zuschauer müssen das Theater bekommen, dass sie verdienen. Manchmal ist es dann eben auch schlechtes Theater. Das sehe ich überall, dass gute Improangebote oder Improgruppen oftmals nicht die Zuschauer bekommen, die sie eigentlich verdient hätten. Das finde ich ein Rückschlag, wenn man 25 Jahren denselben Scheiss macht, ist man erfolgreicher als wenn man ständig neue Wege geht. Das finde ich ein kleiner frustrierender Teil meiner Geschichte. Dennoch bleibe ich da hart und bleibe mir selber treu, weil sonst könnte ich Impro nicht mehr machen. Das muss für mich spannend bleiben. Wenn's für mich nicht spannend und innovativ ist, dann möchte ich es den Zuschauern auch nicht anbieten.

 

Dein lustigstes Impro Erlebnis, dass Euch zu "Pleiten, Pech und Pannen" einfällt?

 

Birgit:

Ich habe mit den Crumbs gespielt und war sehr schüchtern damit englisch auf der Bühne zu sprechen. Ich spielte einen Bauern und Lee fragte: "What are you doing?" Ich antwortete: "I put semen on the floor." (Man muss wissen "semen" ist die Sammelflüssigkeit des Mannes und nicht "seed" der Pflanzensamen!). Lee und Steve waren natürlich entzückt, so wie viele andere, die das Missverständnis begriffen hatten. Sie spielten jedenfalls weiter und ernteten kleine Kinder vom Feld. Ich hab die Szene nicht mehr verstanden und war hoffnungslos verloren.

 

Roland:

Es war mal ein fürchterlicher Firmenauftritt, den ich hatte mit Birgit für eine grosse Telekommunikationsfirma. Da haben wir mal in einem Club gespielt. Auf so einer Zwischenstufe haben sie uns eine Bühnenfläche bereit gestellt. Wir konnten den Ort vorher nicht anschauen. Es war einfach ganz schlimm, ne ganz schlimme Location. Es war wie so ein Treppenabsatz eigentlich und es war ne Firmenfeier, die waren alle besoffen. Dann haben wir vorher ne Info bekommen, wer mit wem Affären hat. Das sollten wir doch bitte einbauen und das Krasseste war, dass wir vor dem Klo gespielt haben. Jeder, der irgendwie auf's Klo musste, musste bei uns über die Bühne. Das war ein ganz, ganz schlimmes Improerlebnis. Wir sind dann nach Hause gefahren und haben uns nur kaputt gelacht, weil es so schlecht war. Und das Coolste war, dass die Firma uns aus Versehen dann hinterher zweimal das Honorar überwiesen hat. Tja! Und das ist nie aufgefallen. Das war dann ein bisschen Schmerzensgeld. Von daher fand ich es einfach schrecklich und auch ganz nett.

 

Welche Interview-Frage möchtest Du Dir selber stellen und beantworten?

 

Birgit:

F: Welches wäre Dein Pornoname?

 

A: Minnie Heidelberger

 

Roland:

F: Wie sieht Improtheater in den nächsten zehn Jahren aus? Was machen denn die jüngeren Generationen aus dem Improtheater?

 

A: Ich glaube Improtheater wird von seiner Sensation verlieren. Es wird es noch geben. Es wird selbstverständlicher werden und bin mir absolut sicher, es wird wieder zurück kommen auf Inhalte. Wie schon gesagt, weil ich denke, es wird Zeit, dass wir uns von der Knechtschaft der Games und dieser Spielstrukturen befreien und und uns wieder auf die Wurzel des Improtheaters besinnen. Nämlich wo kommt's denn her? Nämlich von fast aktuellen Themen, kritischen Haltungen, weg von diesem platten Comedy hin zu anspruchsvollen theatralen Szenen. Also ich bin ein Theatermann. Ich wünsche mir, dass es wieder theatraler wird!

 

Frage von Rachel Röthlin, ohne Wiederholung: Welche Erwartungen darf das Publikum an eine Improshow haben und welche nicht?

 

Birgit:

Liebe Rachel. Die Zuschauer dürfen eine intelligente Unterhaltung erwarten bei der sie eingebunden werden. Sie dürfen nicht erwarten, dass sie wegen jeder Kleinigkeit gefragt werden, nicht unbedingt die witzigsten Vorgaben genommen werden und nicht jeder Kommentar passend ist, sowohl von deren als auch von unserer Seite.

 

Roland:

Das ist ja eine schwierige Frage, weil es gibt nicht DAS Publikum. Es gibt Publikum, das will einfach Schenkelklopfer haben. Die wollen platte Comedy haben. Es gibt Publikum die wollen mehrdimensionale, anspruchsvolle Geschichten haben. Insofern kann ich die Frage nicht beantworten, es kommt darauf an, welches Publikum mir gegenüber sitzt. Ich kann nur sagen, was ihr von mir erwarten können, nämlich bei mir gibt es Comedy mit Tiefgang. Ich habe keine Lust auf platte Impronummern. Das gibt's bei mir nicht. Das machen andere. Das will ich auch gar nicht werten. 

 

Eurer nächster Auftritt?

 

Birgit:

Meine nächsten Auftritte (improvisiert oder als Regietheater) findest Du entweder unter www.isar184.de oder www.sensemble.de.

 

Roland:

Am 27. Januar 2018 im Einstein in München oder am 24. Januar 2018 im Sensemble-Theater in Augsburg.

 

 

Die Frage von Roland stelle ich gerne allen Improspielerinnen und -spieler. Beantworte sie gerne in den Kommentaren. Roland ist an den Antworten interessiert und ich werde sie ihm weiterleiten:

 

Was ist den Dein Beitrag dazu, dass sich Improtheater in den nächsten Jahren weiter entwickelt?

 

 

Vielen Dank für dieses total spannende Doppel-Interview!

 

Für das Interview: Manuela Ming

 

PS: Mit diesem Doppelinterview habe ich mir mein Impro-Weihnachtsgeschenk gemacht :-)


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