Interview mit Regina Leemann, Improwelt, St. Gallen

"Wir alle tragen einen unendlichen Schatz an Eindrücken und Bildern in uns."

Regina Leemann (31) spielt seit 2009 Improvisationstheater (Impro). Sie ist die Gründerin von Improwelt, St. Gallen 

 

Wie kamst Du zum Improspielen?

 

Ich begann mich als Teenager, immer mehr für Cabaret und Theater zu interessieren. Ich schrieb kleine Sketche, machte in Eigenregie Cabaretfilme und wagte mich auf offene Bühnen. So richtig weiter kam ich alleine allerdings nicht. Irgendwann fiel der Begriff "Theatersport" und ich wollte wissen, wie das funktioniert, so habe ich mich an einen ersten Workshop angemeldet und war sofort infiziert.

 

Wie erklärst Du Impro in zwei bis drei Sätzen?

 

Darauf kam mir einst folgender Satz in den Sinn: "Impro ist meine Eingangstür in die Welt der Grenzenlosigkeit und meine Ausgangstür in die Herzen der Zuschauer..." Und anders gesagt: Impro bietet unendlich viele Möglichkeiten, aus eigenen Schätzen tolle Szenen oder berührende Geschichten zu zaubern. Ganz ohne Text auswendig lernen.

 

Wieso soll ich als Zuschauerin Improvisationstheater schauen gehen?

 

Weil eine gute Show immer wieder beeindruckend, überraschend und vor allem sehr berührend und witzig sein kann. Zu sehen, was die Spieler aus dem Nichts zaubern müssen, packt die Zuschauer und sie fiebern in gewisser Weise mit dem Spieler mit. Wer jedoch schauspielerische Profihöchstleistungen voraussetzt, wird mehrheitliche enttäuscht sein: Improspieler sind selten Profischauspieler im klassischen Sinne. Dafür können viele Profischauspieler nicht improvisieren. Das ist eine Kunst für sich und muss gelernt sein.

 

Was bringt Dir Impro persönlich?

 

Impro bereichert mein Leben in vielerlei Hinsicht: Abwechslung zum Berufsalltag, viele spannende Begegnungen mit aller Art Menschen, Konfrontation mit der eigenen Persönlichkeit und vor allem Spass. Ich kann mit im Impro sowohl in den Proben als auch auf der Bühne ausprobieren, austoben oder auch herausfordern. Natürlich sind öffentliche Auftritte auch ein gewisser Kick: wenn die Leute mit unserer Show einen schönen Abend oder Event erleben, ist da auch für mich befriedigend. Impro ist für mich persönlich ein Feuer, das sich nicht so schnell auslöschen lässt.

 

Dein lustigstes Impro Erlebnis, dass Dir zu "Pleiten, Pech und Pannen" einfällt?

 

Als Spielerin auf der Bühne war das bei einem Rückwärtsinterview (Spielform). Mein Spielpartner und ich waren mitten im Interview und realisierten beide, dass irgendetwas nicht stimmt. Wir hatten die Rollen (Fragender und Antwortgeber) vermischt und so kam kein anständiges Resultat dabei raus. Das Witzige haben die Zuschauer nicht bemerkt: Die bonverbale Sprache in unseren Augen war zum Schiessen. Die Blicke sprachen Bände: "Hä? Bisch ez du de Moderator? Oder ich? Easy, Macher mal witer und tuend so, als merkemers nöd. Oder bin ich doch de Mod.. Hääääää? Egal, Pokerface!".

 

Du gibst Improkurse und Workshops für Krebsbetroffene, Angehörige und Fachpersonen. Was würdest Du Dir für eine tollen Angebote wünschen?

 

Was ich mir wirklich sehr wünsche ist, dass die Menschen den Mut haben, zum Kurs zu kommen. Viele denken: "Nein, ich spiele kein Theater". Improweltkurse sind nicht direkt einfach "nur" Theater, sondern es werden einfach ganz viele Elemente genutzt, um auf spielerische Weise viele Ziele zu erreichen. Es soll vor allem Spass machen und vielleicht sogar berühren. Ein wenig Spielfreude und Neugier sind sicher gut. Aber keiner muss einen Monolog hinblättern oder direkt auf die Bühne! Im Wochenendkurs haben wir Zeit, zusammen was aufzubauen.

 

Welche Interview-Frage möchtest Du Dir selber stellen und beantworten?

 

F: Warum Impro ausgerechnet für Krebsbetroffene?

 

A: Menschen die - in welcher Form auch immer - von Krebs betroffen sind, haben oft bereits einen Weg hinter sich, Therapien, vielleicht Schmerzen, emotionale Auf und Abs, Körperbildveränderung etc. Manchmal verlieren die Menschen durch das Ganze den Zugang zu sich selber. Manche wünschen sich einfach eine Bank, auf der sie sich für eine kurze Zeit ausruhen können. Ablenkung. Oder eine Tür, um verborgenen Themen Raum zu geben. Vielleicht auch erst Monate oder Jahre nach der Akutphase.

 

Ich bin überzeugt davon, dass die Elemente meiner Kurse vielen Betroffenen und Angehörigen Zugang zu sich, ihrem Körper und ihren eigenen Ideen schenken. Man kann Spass (diverse Übungen, Spiele, Szenen) haben, sich ausprobieren (Figurenarbeit) oder sich auch mit seiner Krankheitsgeschichte auseinandersetzen (Playbacktheater, Inputs, Szenen).

 

Wir alle tragen einen unendlichen Schatz an Eindrücken und Bildern in uns. Impro ist der Schlüssel, diese Bilder rauszulassen und was total Tolles entstehen zu lassen!

 

Deine nächsten Workshops?

 

Die nächsten Kurse finden im Oktober und November 2017 in Winterthur und Zürich statt. An diesen Wochenendkursen kommen wir an verschiedenen Themen vorbei und haben Zeit, etwas entstehen zu lassen und ich kann Individueller auf die Teilnehmenden eingehen als in zwei Stunden.

 

Adrian Moor, Impronauten, möchte von Dir wissen: "Zähle drei Menschen auf, denen ein Impro-Besuch Deiner Meinung nach gut tun würde."

 

Als Zuschauer oder Spieler? Als Zuschauer... hmmm... Leuten, die nicht so gerne ins Theater gehen. Nach können sie ihre Meinung nochmals überdenken.

 

Als Spieler: Schauspieler, der super spielt aber auf einen Text fixiert ist. Dann selbstverständlich Krebsbetroffenen und deren Angehörigen (das muss ich jetzt sagen. Ist aber aber auch meine Überzeugung).

  

Welche Frage(n) soll ich dem nächsten Interviewgast in Deinem Namen stellen?

 

[...coole Frage...] Diese Frage erscheint im nächsten Interview in einem Monat.

 

Vielen Dank für dieses tolle Interview Regina!

 

Für das Interview: Manuela Ming

Kommentar schreiben

Kommentare: 0